Tag 1 (01.04.2005)
Die erste Etappe führt uns im Bus über den Arniko-Highway von Kathmandu nach Kodari an der tibetischen Grenze. Im Bus nehme ich auf Rat eines Arztes, mit dem ich in Kathmandu gesprochen habe, präventiv Diamox ein. Kodari ist so ein richtiges Grenzkaff, eine Straße führt hindurch, an der sich einige Guesthouses und Restaurants aneinanderreihen und haufenweise LKWs stehen. Sonst nix. Ah doch, die heißen Quellen. Da marschieren wir auch hin um ein Bad zu nehmen. Als wir dort ankommen trauen wir uns allerdings nicht hinein, denn es sieht ziemlich schmutzig und usselig aus. Ich habe mal wieder Durchfall und befürchte, ich habe mir einen Virus eingefangen. Die Nacht gehört deshalb zu den schlimmsten meiner Asien-Nächte. Man stelle sich vor: ca. 20 Leute im Guesthouse, die Zimmer sind nur mit Sperrholzplatten voneinander abgetrennt, es lässt sich nichts verbergen. Ich muss immer wieder auf die Toilette, die auf dem Gang liegt und vor der meine Mitreisenden mittlerweile Schlange stehen… Großartig! Am nächsten Morgen beschließe ich, dass Kopfschmerzen während einer stundenlagen Jeepfahrt irgendwie besser sind als Durchfall und setze das Zeug wieder ab. Das ist ein wenig wie die Wahl zwischen Pest oder Cholera… Gott sei Dank geht es mir schnell besser, offenbar habe ich doch keinen Virus!
Tag 2 (02.04.2005)
Zu Fuß gehen wir am nächsten Morgen über die ‚Friendship-Bridge‘. Die Passkontrollen an der Grenze zu China gehen mit diversen Untersuchungen (Fiebermessen etc…) einher. ‚Drüben‘ angekommen warten wir auf unsere Jeeps, die uns nach Zhangmu (3.200 m) bringen, wo wir bei weiteren Grenzformalitäten stundenlang ohne Info warten. Als auch das überstanden ist, fahren wir 35 km weiter nach Nyalam, unserem ersten Übernachtungsstop in Tibet. Nyalam liegt auf 3750 m Höhe und es ist saukalt und wenig einladend. Zu Abend essen wir in einem kleinen Restaurant, wo wir mit Händen und Füßen unser Essen bestellen. Im Hotel lassen wir uns Thermoskannen mit heißem Wasser geben und versuchen uns damit aufzuwärmen. An Duschen ist gar nicht zu denken, ich bin schon froh, wenn ich keine erfrorenen Zehen habe, wenn ich vom Klo komme!
Tag 3 (03.04.2005)
Die dritte Etappe führt uns in 9 Stunden nach Lhatse (4.050 m). Wir überqueren zunächst den 5050 m hohen Lalung La Pass. Da ich kein Diamox mehr nehme, habe ich den ganzen Tag rasende Kopfschmerzen. Die Straßenverhältnisse tragen nicht gerade zur Linderung bei. Immerhin kann ich einen Blick auf die Shishapangma und den Cho Oyu erhaschen! Die Landschaft ist atemberaubend, nicht nur wegen des Sauerstoffmangels! Überall bauen Tibeter – Männer und Frauen – die Straße aus. Das karge tibetische Hochland wird vom Yarlung Tsangpo gespalten, der ca. 3.000 km später in Indien als Brahmaputra ins Meer mündet.
Unser Mittagessen nehmen wir in Tingri ein, von wo wir in der Ferne den Mt. Everest erblicken.
Auf der Straße steht ein Billardtisch, an dem die Dorfjugend eine ruhige Kugel schiebt.
Nach der Mittagspause überqueren wir den 5220 m hohen Gyatsola Pass. Wir halten und steigen aus, mein Herz schlägt wegen des verringerten Sauerstoffgehalts bis zum Hals und mir ist schwindelig. Nach ein paar Fotos gehe ich lieber wieder ins Auto. Ich bin müde und würde gerne schlafen, aber bei den Straßenverhältnissen ist da nicht dran zu denken. Im Hotel in Lhatse gibt es wenigstens heißes Wasser, so dass ich mir mal wieder die Haare waschen kann.
Tag 4 (04.04.2005)
Die heutige Etappe ist nur kurz: nach 4 Stunden erreichen wir Shigatse (3.840 m), die nach Lhasa zweitgrößte Stadt des Autonomen Gebiets Tibet. Hier wartet ein Highlight auf uns: der Besuch des Klosters Tashilünpo, dem bedeutendsten Gelbmützen-Kloster Westtibets.
Aber erst mache ich mich mit Greg auf die Suche nach etwas Eßbarem. Ich esse in einem kleinen Restaurant für umgerechnet 60 Eurocent sehr schmackhaften Reis mit grüner Paprika. Danach finden wir einen Frisörladen, in dem Greg sich rasieren und ich mir die Haare waschen lasse. Das war eigentlich nett gedacht, in der Ausführung habe ich die entspannende Wirkung aber etwas vermisst. Die Frisörin shamponiert mir die Haare im Sitzen am Platz ein, dabei träufelt sie immer wieder Wasser aus einer Flasche auf meinen Kopf bis ich aussehe wie ein Geburtstagskuchen mit Sahnehaube! Ich hab mich gefühlt, als ob sie meinen Skalp will!
Am nächsten Morgen besuchen wir nach dem Frühstück das Kloster Tashilünpo. Mir kommt es
eher vor wie ein Museum, in den Gesichtern der wenigen Mönche, versuche ich zu erkennen, ob sie echt sind oder Spione der chinesischen Regierung. Obwohl das Kloster der Gelugpa-Tradition angehört – der gleichen Tradition, in der auch der Dalai Lama lebt – findet man hier keine Bilder von seiner Heiligkeit, da seine Fotos in ganz China verboten sind. Das Oberhaupt der Gelugpa-Tradition ist der Panchen Lama, der allerdings bereits als fünfjähriger Junge von den Chinesen entführt wurde und nie wieder aufgetaucht ist. Dafür haben die Chinesen ihren eigenen Panchen Lama eingesetzt, den sie als Gegenspieler zum Dalai Lama aufbauen.
Tag 5 05.04.2005)
Nach der Besichtigung des Klosters fahren wir los in Richtung Gyantse. Die drittgrößte Stadt Tibets liegt auf 3977 m. Wir schnaufen hoch zu dem auf einem Hügel gelegenen alten Fort, das auf das 9. Jahrhundert zurückgeht. Greg und ich laufen auf großen, aber menschenleere Straßen durch die Stadt, finden aber nichts Weltbewegendes. Irgendwann stehen wir vor einem Hauseingang, der mit einem Teppich verhangen ist und treten ein, da es sich offenbar um eine Art Restaurant handelt. Drinnen sitzen einige Tibeter vor einem Fernseher. Wir versuchen klar zu machen, dass wir essen wollen, ernten allerdings nur verständnislose Blicke. Niemand versucht, mit uns zu kommunizieren, stattdessen starren uns alle einfach nur an, drehen sich nach ein paar langen Sekunden einfach um und ignorieren uns. Wir essen dann mit der Gruppe in einem großen Restaurant, wo ich lerne, wie man auf Englisch chinesisches Essen ohne Geschmacksverstärker bestellt: „No MSG, please!“
Tag 6 (06.04.2005)
Nach einer Übernachtung machen wir uns fertig für die letzte Etappe: 110 km sind es noch, die uns von Lhasa trennen. Ein letztes Mal klettern wir alle in unsere Jeeps und richten uns für eine lange Fahrt ein. Unterwegs müssen wir an einem See anhalten, lange Zeit geht nichts vor und nichts zurück: ein LKW-Stau. Wir haben keine Info, ob und ggf. wann es endlich weitergeht. Das gibt uns Zeit, die atemberaubend schöne Aussicht zu genießen. Wir stehen nämlich am Yamdrok See, einem der drei heiligen Seen Tibets auf 4440 m.
Erst kurz vor Lhasa ist die Straße wieder gut ausgebaut. Als wir nach Lhasa hineinfahren, passieren wir den Potala-Palast. Wie lange habe ich darauf gewartet!
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